Die pädagogische Wirkung der
Leier
Erfahrungsberichte und Anregungen
Aufbauend auf den
spiele- rischen Umgang mit dem Instrument, ist das ge- meinsame
konzertante Musizieren auch schon für die "Kleinen"
ein großes Erlebnis. |
Schulanfang und Musik "...Welche
Chancen für den Erziehungs - und Lernprozeß in der rhythmisch
- musikali- schen Unterweisung verbor- gen sind, möchte ich
anhand einiger Unterrichtserfahrungen verdeutlichen. Kinder
müssen mit ihrer ganzen Person im Unterricht angesprochen
sein. Singen und Musizieren ermög- lichen es, Gefühlen
Ausdruck zu verleihen. Beides gehört all- täglich zum
Unterricht hinzu und festigt und vertieft die Eindrücke, die durch
den son- stigen Unterricht vermittelt werden. Der Musikfachlehrer hat
zwar in der Regel ein vollständiges Orffsches Instrumentarium zur
Verfügung und weiß es auch einzusetzen. Trotzdem hat die
musikalische Gestal- tung des Schultages, die vom Klassenlehrer
vorgenommen werden kann, eine mindestens ebenso nachhaltige
Wirkung, und durch die tägliche Wieder- |
holung teilweise therapeuti- sche Bedeutung.
Zaubermusik- erstes Unterrichtsprojekt Der Anlaß für unser erstes Musikprojekt ergibt sich
aus dem Inhalt der erzählten Ge- schichte des Netzkobolds aus dem
Kinderbuch "Liputto" von Jakob Steit (Urachhaus - Verlag 1988). Ein
Kobold, der in der Nähe eines Sees in einer kleinen Höhle
wohnt, läßt sich von den Spinnen ein Netz spin- nen, mit dem
er auf Beutefang aus ist. Zuerst fängt er einen kleinen Goldfisch,
den er in ei- nem Wasserglas in seiner Höhle aufbewahrt. Ein
Rabe kann das arme Tier befreien. Das nächste Opfer ist
ein Schmetterling, danach fängt er einen Frosch mit einem Lasso,
das er sich aus seinen Barthaaren gebunden hat. In meiner Fassung der
Erzählung wohnt Oma Morla ganz in der Nähe des Sees. Sie hat
alles Unrecht mitangesehen und möchte ihrerseits dazu
beitra- gen, daß der Kolbold von sei- nen Bosheiten
abläßt. Oma Morla schleicht mit ihrem Rucksack zum See. Sie
ver- steckt sich hinter einem Ge- büsch, packt aus ihrem
Ruck- sack ein Zauberinstrument |
aus und beginnt zu spielen. Ich nehme
die Leier aus ihrer Hülle und beginne zu singen und zu spielen. Der
zarte Klang des Instruments hat fast magischen Charakter. Wie
nachhaltig der Klang der Leiern bei den Kindern wirkt, wird an der
Äußerung eines sehr unruhigen Kindes deut- lich. Es
drückt im Wochenab- schlußgespröch aus, daß ihm die
Zaubermusik am besten gefallen habe. Ein anderes, sehr unkonzentriertes
Kind überreicht mir eine Wachskrei- dezeichnung, auf der die
Lei- ern einen exponierten Platz einnehmen.
Kinder blühen auf in
Erlebnis- sen. Erlebnisse sind in diesem Zusammenhang Dinge, die von
den Kindern gefühlt, er- fahren und verbalisiert wer- den. Es
bleibt zu hoffen, daß mehr Lehrer/innen den Mut finden zum Singen,
Spielen und Mu- sizieren im Klassenunterricht und somit eine
größere Viel- falt an Tönen, Stimmungen und Schwingungen
in den Bil- dungs - und Erziehungspro- zeß der Kinder
einfließen, als dies gemeinhin vorgesehen und vorgeschrieben ist."
Auszüge aus einer Unterrichtseinheit
der Grundschullehrerin Astrid Fries, erhältlich im Bochinsky-Verlag,
Frankfurt a.M. oder im Atelier für Leierhau |
Ob in Kalifornien oder Sao
Paulo, Mailand oder wie hier in Berlin, Freude am Musizieren
vermizttelt die ausstrahlende Kraft der Leiermusik |
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Erfahrungen mit der großen Kantele in
der Schule "Es war ein Föhntag kurz
vor Vollmond. Die Kinder kamen wild, zerstritten aus der Pau- se. Die
Lehrer hatten natürlich noch eine Besprechung und kamen zu spät
in die Klassen. Den Aufruhr dort drinnen hör- te man schon von
weitem. Wie die aufgebrachten Kinder beruhigen? Mit ein
paar deutlichen Gebärden verwies ich die Kinder an die
Plätze. Ein Kind saß noch unter dem Lehrerpult. Ruhig nahm
ich die Kantele aus dem Koffer, setzte mich auf den Stuhl und begann
zu spielen. Sofort kehrte Ruhe, Harmonie und Besinnung ein. Selbst
das Mädchen unter dem Lehrer- pult, das als wilde
Schlägerin gefürchtet war kam ganz zu- frieden an ihren Platz
zurück. Diese Ruhe und innere Ord- nung hielt beinahe eine
halbe Stunde an, in welcher die Kin- der ruhig und hingebungsvoll mit
Wachskreiden den König zeichneten, wie er in der Abendstille
über die geheim- nisvolle Brücke ging, indem er auf seiner
Kantele spielte und dazu sang, während der Dra- che unter der
Brücke schlief. "Kippe ich selbst aus dem in- neren Gleichgewicht,
verhilft mir dieses Instrument immer wieder zu innerer
Harmonie. Bach-Inventionen lassen sich sehr gut darauf spielen.
Für den heute oft "gestressten" |
Menschen wirkt dieses Instru- ment
durchaus therapeutisch, es harmonisiert Herz und Kreislauf, beruhigt
uns."
Auszüge aus einem Text von
Thomas Koller, Pädagoge, Winterthur/Schweiz
Von der Bedeutung der Leier in
der anthroposophischen Arbeit "Ob man heute eine
Rudolf Steiner Schule in Sao Paulo oder in Mailand, in
Kalifornien oder in Neuseeland besucht: überall wird man
Gärtner- schen Leiern begegnen und die pulsierende Kraft
verspü- ren können, die von diesem In- strument
ausgeht. Für die Erziehung der klein- sten wie der
größeren Kinder; für die Gestaltung von ern- sten,
traurigen, aber auch hei- ter-fröhlichen Festen und Konzerten,
für die Heilung seelisch kranker Kinder und Erwachsener erwies sie
sich als in gleicher Weise geeigne- tes Instrument.
Für das Kind im
Kindergarten- alter bis zum neunten Lebens- jahr; also bis zum Beginn
der dritten Klasse, hat uns ja Ru- dolf Steiner den bedeutsamen Wink
gegeben, noch nicht die Dur- und Moliskalen zu ver- wenden, sondern
vorwiegend die in "Quintenstimmung" schwebende Pentatonik, also die
Tonfolge: |
d-e-g-a-h-d-e und so weiter. So schuf Lothar Gärt- ner
eine verwandte Form der Leier, die zehnsaitige "Kante- le" oder
"Flügelkantele" wel- che in der genannten Skala gestimmt werden
kann. (Für die darauffolgenden Jahre kann sie dann nach
Auswech- seln von drei Saiten auf eine Durtonleiter mit dem
Umfang einer Dezime umgestimmt werden.) Um die Kinder zu
einem klangvollen Spiel und - was wichtig ist - zum sich
selbst zuhören anzuregen, beginne ich diese Musikstunden oft
so, daß ich etwa das Folgende sa- ge: "Das Instrument, das
ihr in den Händen habt, heißt Flügelkantele. Wißt
ihr auch warum? Nicht nur deshalb, weil es wie ein Flügel
aus- sieht, sondern auch darum, weil die Töne, die man
darauf spielt, Flügel haben und ganz weit fliegen können."
Das Wunderschöne bei diesen pentatonischen Instrumenten ist nun,
daß es nie häßlich, nie disharmonisch tönen kann.
Denn die Fünftonfolge enthält keine Halbtonschritte und gibt
also gar keine Mißklänge her. Man kann auch im "Arpeggiando"
über das Instrument hinfahren, und es entsteht auch dabei
nur Wohlklang."
Auszüge aus einem Text von Helmut
v. Wartburg, anlässlich des fünfzigjähri- gen Bestehens
des Ateliers für Leierbau |
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